Das Mobilitätskonzept der Kieler Woche
Die Ruhe vor dem Sturm: in wenigen Tagen wird an der Kiellinie buntes Treiben herrschen!
Wie steuert man Millionen Besucher*innen sicher und entspannt durch die Stadt? Das Mobilitätskonzept der Kieler Woche setzt auf ein starkes Miteinander: mehr Radverkehr, kurze Wege, alternative Routen und eine enge Verzahnung aller Verkehrsmittel – unterstützt durch eine interaktive Mobilitätskarte. Warum Rücksicht und gute Planung dabei die wichtigsten Begleiter sind, erzählt uns Daniel Lorenzen aus dem Kieler Woche-Referat.
Lorenz im Interview mit Daniel Lorenzen, Koordinator und stellvertretender Leiter Kieler Woche
Daniel, stell dich und deine Aufgaben bei der Kieler Woche bitte kurz vor.
Mein Name ist Daniel Lorenzen, ich bin stellvertretender Referatsleiter im Kieler Woche-Referat der Stadt Kiel. Zu meinen Aufgaben gehören die Bereiche Sicherheit und Mobilität auf der Kieler Woche, außerdem die strategische Weiterentwicklung sowie die Vermarktung. Grundsätzlich kümmere ich mich um alles, was rund um die Kieler Woche anfällt.
Das Kieler Woche-Referat kümmert sich also ganzjährig um die Planung und Umsetzung der Kieler Woche?
Genau. Das Kieler Woche-Referat ist eine Besonderheit – vergleichbar vielleicht noch mit der Stadtverwaltung München in Bezug auf das Oktoberfest. Wir arbeiten sehr organisch: Nach der Kieler Woche sind wir ein Team von etwa zehn bis elf Personen, zur Kieler Woche hin wachsen wir auf rund 30 bis 40 Mitarbeitende an. Neben der Kieler Woche unterstützen wir auch weitere Großveranstaltungen in Kiel, etwa das Schleswig-Holstein Musik Festival mit seinen diesjährigen Open-Air-Konzerten von Sting und Fanta 4 auf dem Nordmarksportfeld oder Events wie das Konzert von Paul Kalkbrenner im August. Unser Know-how aus der Kieler Woche fließt dabei in Beratung, Koordination und Unterstützung dieser Veranstaltungen ein.
Kannst du uns einen Überblick über die Mobilitätsstrategie der Kieler Woche geben? Worauf liegt dabei der Fokus?
Die Besonderheit der Kieler Woche ist, dass wir nicht klassische Veranstalter*innen sind. Die Veranstaltung erstreckt sich über ganz Kiel mit 25 Eventarealen – vier davon bespielen wir als Stadt selbst, die übrigen 21 werden von privatwirtschaftlichen Veranstalter*innen betrieben. Unsere Aufgabe ist es, die vielen Einzelinteressen zu einem stimmigen Gesamterlebnis zu verbinden. Beim Thema Mobilität steht im Vordergrund, dass das Leben in Kiel auch während der Kieler Woche weiterläuft. Menschen müssen weiterhin zur Arbeit, nach Hause oder in die Stadt kommen können. Wichtig sind uns Erreichbarkeit, Barrierefreiheit sowie die sichere Führung von Besucher*innen zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln – um Staus möglichst zu vermeiden. Natürlich berücksichtigen wir auch den Autoverkehr, indem wir Parkangebote schaffen und lenken. Ein Schwerpunkt liegt aber klar auf der Förderung alternativer Mobilitätsformen: ÖPNV, Sharing-Angebote, Fahrrad und Fußverkehr. Auch Fährverbindungen wie die der Schlepp- und Fährgesellschaft Kiel helfen, Ost- und Westufer zu verbinden. Die große Herausforderung ist dabei, eine Stadt mit 250.000 Einwohner*innen auf den Ansturm von rund vier Millionen Besucher*innen vorzubereiten, die sich innerhalb von zehn Tagen besonders an Wochenenden und Abenden tummeln. Unser Ziel ist es, Menschen mit gut erreichbaren Mobilitätsangeboten sicher und effizient durch die Stadt und zu den Eventflächen zu lenken.
Wie läuft der Planungsprozess für die Mobilität bei der Kieler Woche ab?
Die Mobilitätsplanung ist ein kontinuierlicher, iterativer Prozess. Schon während der laufenden Kieler Woche werden erste Notizen dazu gemacht, was verbessert oder angepasst werden kann. Alle Erfahrungen – etwa aus 2023 oder 2024 – fließen direkt in die Planung für das nächste Jahr ein. Die Koordination übernimmt dabei eine feste Steuerungsgruppe Mobilität, die sich monatlich trifft. Dort sind interne und externe Partner*innen vertreten: unter anderem sind dies Tiefbauamt, Verkehrsbehörde, Ordnungsamt, Polizei, Feuerwehr, Wasserschutzpolizei, Schlepp- und Fährgesellschaft, KVG, Radverkehrsbeauftragte und Fußverkehrsbeauftragte. So werden alle wichtigen Interessen gebündelt. Konkret werden Erfahrungen schnell in neue Maßnahmen übersetzt: 2023 etwa wurde deutlich, dass E-Scooter oft ungünstig abgestellt wurden und Fluchtwege blockierten. 2024 reagierten wir mit klar ausgewiesenen E-Scooter-Parkflächen und zusätzlichen Patrouillen der Anbieter, die falsch abgestellte Fahrzeuge regelmäßig einsammelten. Die Planung entwickelt sich also laufend weiter.
Wie plant ihr die Mobilität auf den verschiedenen Eventflächen? Schaut ihr euch jede Fläche einzeln an oder arbeitet ihr eher vom großen Bild ins Detail?
Beides. Wir arbeiten mit einem bestehenden Mobilitätskonzept, das jährlich auf Basis neuer Erfahrungen weiterentwickelt wird. Dabei schauen wir uns jede der 25 Eventflächen individuell an – je nach Lage, Aufbauten, Zielgruppen und Betreiber*in. Das gilt insbesondere für 2025, weil alle Flächen neu ausgeschrieben wurden und es neue Betreiberkonzepte gibt. So bewerten wir, wie sich Besucher*innen bewegen, wo mögliche Ballungspunkte entstehen und welche Mobilitätsangebote – etwa Fahrradstellplätze oder Busanbindungen – angepasst werden müssen. Gerade stark frequentierte Bereiche wie die Kiellinie erfordern zusätzliche Maßnahmen: Beispielsweise wird in diesem Jahr wieder eine Straße gesperrt, um mehr Platz und Sicherheit für Fuß- und Radverkehr zu schaffen – was auch im letzten Jahr der Fall war und gut funktioniert hat. Dabei stimmen wir uns eng mit allen Beteiligten ab. Die Bereitschaft zur Kooperation ist groß, weil allen klar ist: Bei bis zu 12-mal mehr Menschen in der Stadt als an normalen Tagen müssen Abläufe gut koordiniert und manchmal Einschränkungen akzeptiert werden.
Könnt ihr Veränderungen im Mobilitätsverhalten bei der Kieler Woche erkennen? Wohin entwickelt es sich – und wird dadurch die Planung leichter?
Ja, das Mobilitätsverhalten verändert sich spürbar – und das hängt stark mit neuen Angeboten zusammen. Vor 10 bis 15 Jahren dominierten Busse und Fußwege. Heute spielen Sharing-Modelle wie die #SprottenFlotte oder E-Scooter eine große Rolle. Mit überwachten Fahrradparkplätzen fördern wir gezielt die Nutzung von Fahrrädern: Wer sein Rad sicher abstellen kann, nutzt es eher für die An- und Abreise. Generell passt sich die Mobilitätsstrategie dynamisch an: Was wir während der aktuellen Kieler Woche beobachten – auch durch Hinweise aus der Bevölkerung über Hotline oder E-Mail –, fließt direkt in die Planung für das nächste Jahr ein. Die Kieler Woche entwickelt sich ständig weiter: Der erste Tag sieht immer anders aus als der achte. Ein großer Fokus liegt inzwischen auf der Barrierefreiheit. So wurden etwa stadtweit neue Kabelbrücken angeschafft, um Rollstuhlfahrer*innen einen besseren Zugang zu ermöglichen. Hinweise aus der Bevölkerung sind enorm wichtig – und werden schnellstmöglich umgesetzt.
Welche Möglichkeiten gibt es, auf das Auto bei der Anreise zur Kieler Woche zu verzichten?
Am besten ist es natürlich, das Auto komplett zu Hause zu lassen. Dafür gibt es viele Alternativen: Mit dem ÖPNV erreicht man die Eventflächen gut – die KVG verstärkt während der Kieler Woche ihr Angebot und richtet Sonderlinien ein. Auch der Wasserweg ist eine Option: Die Schlepp- und Fährgesellschaft Kiel bietet häufigere Fahrten an und verbindet Ost- und Westufer sowie das Segel-Areal in Schilksee mit der Innenstadt. Für Radfahrer*innen gibt es bewachte Fahrradparkplätze an zentralen Punkten sowie zusätzliche Abstellmöglichkeiten. Sharing-Anbieter*innen wie SprottenFlotte und E-Scooter stehen ebenfalls bereit. Wer dennoch mit dem Auto anreisen muss, sollte außerhalb der Innenstadt auf den ausgewiesenen Park+Ride-Parkplätzen parken und dann auf Bus oder Fähre umsteigen. Die Kieler Woche setzt bewusst auf eine verkehrsarme Innenstadt: weniger Unfallgefahren, weniger Emissionen und ein entspannteres Veranstaltungserlebnis für alle.
Was wird sich in diesem Jahr konkret ändern?
In diesem Jahr wird das Mobilitätskonzept gezielt weiterentwickelt: Mobile Fahrradabstellflächen werden näher an die Veranstaltungsareale herangerückt, um die Anreise per Rad noch attraktiver zu machen. Für E-Scooter entstehen weitere klar definierte Parkzonen und die Anbieter kontrollieren mit verstärkten Teams regelmäßig, dass abgestellte Fahrzeuge keine Wege blockieren. Temporäre Demontagen von Fahrradständern direkt auf Eventflächen werden durch alternative Abstellmöglichkeiten ausgeglichen. Auch der öffentliche Nahverkehr passt sich an: Buslinien fahren häufiger und erhalten flexible Umleitungen, Taxistandorte werden verlegt und die Schlepp- und Fährgesellschaft erhöht das Angebot auf dem Wasser. Wer mit dem Auto anreist, wird gezielt auf Park+Ride-Optionen oder zu Anbietern wie Peuka gelenkt, um die Innenstadt zu entlasten. Trotzdem bleibt die Anzahl an barrierefreien Parkflächen im Stadtkern hoch und es werden Ausgleichsflächen geschaffen. Wichtig: Auf der Plattform kieler-woche.de/de/service/ können sich Besucher*innen jederzeit live über verfügbare Parkmöglichkeiten und Füllstände informieren.
Welche Maßnahmen gibt es, um die Besucher*innen der Kieler Woche für nachhaltige Mobilität zu sensibilisieren?
Eine zentrale Rolle spielt die interaktive Mobilitätskarte Parkbereich Kieler Innenstadt - Livedaten. Sie bietet nicht nur während der Kieler Woche, sondern das ganze Jahr über tagesaktuelle Informationen zu Parkhaus- und Parkflächen-Füllständen. Nutzer*innen können gezielt nach Verkehrsmitteln filtern: zu Fuß, Fahrrad, E-Scooter, ÖPNV, Taxi oder barrierefreie Wege. Auf der Karte finden sich außerdem Hinweise auf überwachte Fahrradparkplätze, Sharing-Stationen wie die der SprottenFlotte, E-Scooter-Abstellzonen, barrierefreie Parkflächen sowie die nächstgelegenen Haltestellen und Routen des Busverkehrs. Die Mobilitätskarte ist bewusst so gestaltet, dass sie intuitiv und einfach bedienbar ist, ohne zu überfordern. Hinzu kommt: Die Kieler Woche ist eine „gelernte Veranstaltung“. Viele Besucher*innen bringen Erfahrungen aus den Vorjahren mit – etwa dazu, wo es zu Staus kam oder wo sich alternative Wege lohnen. Dieses stetige „Learning“ der Besucher*innen trägt ebenfalls dazu bei, dass nachhaltige Mobilitätsangebote heute selbstverständlicher genutzt werden. Unser Ziel ist es, die Menschen durch gezielte Informationen aktiv auf nachhaltige Alternativen aufmerksam zu machen und ihnen die Nutzung so einfach wie möglich zu gestalten.
Bei der Kieler Woche 2024 gab es punktuelle Einschränkungen für Radfahrer*innen – etwa an der Hörn, am Rathausplatz während Auf- und Abbau sowie auf dem Düsternbrooker Weg zu stark frequentierten Zeiten. Welche Einschränkungen wird es 2025 geben – und wie geht ihr grundsätzlich mit den Belangen der Radfahrenden während der Veranstaltung um?
Bei einer Großveranstaltung wie der Kieler Woche lassen sich Einschränkungen für alle Verkehrsteilnehmenden – ob zu Fuß, mit dem Rad, Auto oder ÖPNV – nicht vollständig vermeiden. Mein Appell ist daher: Wir brauchen gegenseitige Rücksichtnahme und Verständnis. Gerade für Radfahrer*innen bedeutet das: Manche Wege werden während der Kieler Woche zweckentfremdet – etwa für Bühnenaufbauten, Fluchtwege oder andere sicherheitsrelevante Maßnahmen. Das betrifft aber alle Gruppen gleichermaßen. Es geht dabei niemals um Schikane, sondern ausschließlich um den Schutz der Menschen vor Ort. Wir versuchen, so viele alternative Routen wie möglich anzubieten und diese gut auszuschildern. Auf der Website der Kieler Woche sind alle aktuellen Einschränkungen transparent aufgeführt – bitte informiert euch vor dem Besuch. Auch die Aufbau- und Abbauphasen bringen Veränderungen mit sich: Eine Veranstaltung dieser Größenordnung entsteht nicht über Nacht und ebenso wenig ist sie innerhalb eines Tages abgebaut. Die größten Einschränkungen wird es an der Kiellinie, rund um die Hörn und an einzelnen Veranstaltungsarealen geben, wo Radwege in die Eventflächen integriert sind. Natürlich setzen wir barrierefreie Kabelbrücken ein, wenn Fuß- oder Radwege überbaut werden. Sollte es dennoch zu Problemen kommen, freuen wir uns über Hinweise – denn auch für uns bleibt die Kieler Woche immer die Beherrschung eines besonderen Ausnahmezustandes.
Wir sind gespannt auf alles, was kommt – und informieren uns natürlich rechtzeitig über die Mobilitätskarte. Vielen Dank für das Gespräch!