Umdenken mit Astrid Cramer

Staffelstab-Übergabe für den Stadtbezirk Innenstadt-West: Am 27. September 2023 wurde Astrid Cramer zur neuen Bezirksbürgermeisterin für die westliche Innenstadt gewählt und ist damit für den Bereich der Innenstadt zuständig, in dem der erste Abschnitt des Radschnellwegs bereits realisiert wurde. Sie ist kein unbekanntes Gesicht in der politischen Landschaft Dortmunds, denn seit 2012 sitzt Astrid Cramer für die Grünen in der Bezirksvertretung. Dort war sie zunächst stellvertretende und zuletzt Fraktionssprecherin. Der Wunsch, in Dortmund etwas zu verändern, mitzugestalten und sich auf lokaler Ebene einzubringen, hat sie angetrieben, als Bezirksbürgermeisterin das Ohr für die Bürger*innen zu sein. Wir sprechen mit ihr über den Radschnellweg Ruhr RS1 und darüber, wie die Stadt Dortmund den Switch vom Auto zu klimafreundlichen Verkehrsmitteln erreichen kann.


Robert im Interview mit Astrid Cramer


Hallo Astrid, stell dich unserer Leserschaft doch bitte vor.

Ich bin Astrid Cramer, Bezirksbürgermeisterin der Innenstadt-West und arbeite im zivilen Leben als Physiotherapeutin. Wir befinden uns in der Nähe meiner Arbeitsstelle in der Schwanenstraße gegenüber der Weißenburger Straße und mir fällt direkt ins Auge, dass hier definitiv Fahrradbügel fehlen. Dafür möchte ich mich gern einsetzen, dass diese Situation in der Innenstadt-West in Zukunft viel besser wird. Ich muss mein Fahrrad immer an einer Laterne oder einem Schild abstellen, obwohl eigentlich Bügel vorgesehen sind. Ansonsten läuft es hier eigentlich gut. Die Schwanenstraße bzw. Weißenburger Straße ist auf beiden Seiten mit einem Radweg ausgestattet. Richtung Norden hört der Radweg jedoch plötzlich auf und man soll auf den Bürgersteig fahren, was ich aber nie mache, da dieser Raum den Fußgänger*innen gehört. 

Kannst du uns den Stand des Radschnellweg-Projekts RS1 hier im Bezirk erläutern?

Der RS1 verläuft über die Schnettkerbrücke, ist aber dort noch nicht fertig. Dann führt er weiter zur Großen Heimstraße, wo wir früher schon mal eine Fahrradstraße einrichten wollten, was jedoch nicht so ganz geklappt hat. Dieses Stück wurde jetzt direkt Teil des RS1-Projekts. Die Streckenführung verläuft nun über die Sonnenstraße, wo der Radweg bis zur Ampel an der Lindemannstraße fertiggestellt ist. Der nächste Bauabschnitt wird sich dann bis zur Hohen Straße erstrecken. Wenn der Abschnitt fertiggestellt ist, werden viele Pendler*innen davon profitieren, die viel schneller in beide Richtungen, zum Beispiel auch von der Stadt zur Universität, fahren können, ohne um Autos herumlavieren oder Schlaglöchern ausweichen zu müssen. Die Ampel an der Lindemannstraße wird jedoch bestehen bleiben, da der Verkehr dort zu stark ist. Der RS1 sollte eigentlich durchgehend befahrbar sein, aber das werden wir leider im Stadtgebiet nicht überall umsetzen können.

Glaubst du, dass ein Projekt wie der Radschnellweg auch dahingehend Zugkraft entwickelt, dass sich der Status des Fahrradverkehrs sowohl in der Bevölkerung als auch bei Entscheidungsträger*innen verbessert?

Ich denke, das Problem ist oft, dass die Leute, die solche Entwicklungen gut finden, nichts sagen. Anhand der Nutzungszahlen sieht man aber, dass der Weg befahren wird. Auf dem Abschnitt des RS1 auf der Großen Heimstraße ist die Anzahl der Radfahrer*innen jedenfalls definitiv gestiegen. Über ein Gutachten der Stadt Dortmund, das eigentlich für eine andere Erhebung erstellt wurde, haben wir das herausgefunden. Vor allem sind uns aber die Beschwerden aufgefallen. Ich sage den Bürger*innen im Gespräch immer, dass sie uns auch mitteilen sollen, wenn ihnen etwas gefällt. Gerade in diesem Zusammenhang ist es wichtig, positives Feedback zu erhalten, damit wir wissen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ansonsten gerät man leicht in eine Schieflage der Wahrnehmung. Ich persönlich denke aber, dass der Radschnellweg Zugkraft hat. Und ich glaube auch, wenn man merkt, dass es angenehm ist, einfach fahren zu können, hat man mehr Spaß daran und macht es auch öfter. Ich meine, ich bin täglich mit dem Fahrrad unterwegs, ich habe kein Auto mehr, ich habe es abgeschafft.

Glaubst du wirklich, dass es möglich ist, in Dortmund ein Umdenken in der Bevölkerung zu erreichen bzw. eine Akzeptanz für Veränderungen? 

Ich denke, es ist immer noch sehr schwierig. Dortmund ist einfach eine Stadt, die stark auf Autos ausgerichtet ist, oder eine Stadt für Autofahrer*innen, wie man es auch nennen mag. Ich glaube, das hat sich über Generationen so verfestigt. Über viele Jahre hinweg gab es einfach nichts für Fahrradfahrer*innen. Es gab einmal die Planung für die Kampstraße, die neu gestaltet werden sollte. Ein Architekt hatte alles toll durchdacht. Diese Planung ist schon sehr alt und jetzt soll sie umgesetzt werden. Man denkt, das war vielleicht vor 20 Jahren innovativ, aber heute hat sich einiges geändert – das ist aber nicht der Fall, es wird sich oft geweigert, Dinge anzupassen. Es wird also immer noch viele Hindernisse geben. Es ist unglaublich schwierig, hier Denkweisen zu verändern und jemanden umzustimmen, der fest davon überzeugt ist, dass Autofahren die beste Wahl ist. Die Akzeptanzentwicklung in der Bevölkerung ist träge. Wir haben eine starke Fahrradszene – das sehen wir vor allem dann, wenn die #Critical Mass Dortmund stattfindet. Es gibt sehr viele Menschen, die sich für den Radverkehr einsetzen. Aber es ist noch nicht so, dass das alltägliche Radfahren selbstverständlich ist. Ich glaube, viele haben einfach Angst. Ich würde mich selbst als relativ offensiv bezeichnen. Ich fahre vorsichtig und vorausschauend, aber ich nutze den Raum auf der Straße. Ich habe keine Angst davor, dass ich angefahren werde. Ich denke, dass schwächere Verkehrsteilnehmer*innen weiterhin das Auto nutzen werden, weil sie Angst haben. Wir haben immer wieder die Diskussion, dass Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Schule bringen, anstatt mit ihnen zu Fuß zu gehen oder mit dem Fahrrad zu fahren. Dann lernen die Kinder das auch nicht. Natürlich gibt es Verkehrserziehung, aber wenn die Eltern das nicht vorleben, wird es schwierig. Daher denke ich, dass es noch viel zu tun gibt. Nicht nur in der Verwaltung, dort bewegt sich definitiv etwas, sondern vor allem in der Bevölkerung. In der Bezirksvertretung gehen Beschwerden ein im Stil von "Wo sollen wir denn hin?" und "Wo sollen denn die Autos alle parken?" Natürlich ist es schwer, in einem dicht besiedelten Viertel wie dem Kreuzviertel Parkplätze zu schaffen. Wo soll dort eine Quartiersgarage gebaut werden? Das geht nicht. Die Flächen sind im Privatbesitz. Das Auto wird nicht über Nacht abgeschafft. Wir brauchen noch viel Geduld und Spucke, wie wir sagen.

Gibt es in Dortmund Projekte, bei denen Veränderungen spürbar waren und das Verhalten der Menschen sich angepasst hat? 


Bevor die Große Heimstraße zur Fahrradstraße wurde, gab es in Dortmund eine Fahrradstraße, durch die lediglich ein Bus fuhr. Sie war also für Autos ohnehin nicht zugelassen und es war nur ein kurzes Stück. Ich glaube, durch dieses Best-Practice-Beispiel gab es weitere Bestrebungen für Fahrradstraßen. Die Stadt Dortmund hat sich, glaube ich, lange dagegen gesträubt, aber das war ein gutes Beispiel. Man hat gesehen, dass es ganz gut funktioniert und die Menschen sich daran gewöhnen. Bei Schwachstellen muss natürlich nachjustiert werden. Aber Hauptsache, wir fangen an! Seit einiger Zeit sind mehr Fahrradstraßen in Planung. Das ist sehr positiv. Früher habe ich mir immer, wenn ich in anderen Städten war, den Spaß gemacht und Fahrradstraßen fotografiert. Das war lange, bevor wir die erste richtige Fahrradstraße hatten, und ich dachte immer: “Es funktioniert!” Ich hoffe einfach, dass es jetzt langsam vorangeht. Wie zum Beispiel am Radwall, der zwischen Brüderweg und Bornstraße als fuß- und radverkehrsfreundlicher Umbau des Schwanen- und Ostwalls weiter wächst.

Wir schauen jetzt mal in die Zukunft. Worüber würden wir in zwei Jahren sprechen?

Über den Baubeginn des RS1. Tatsächlich ist dieser nämlich für 2026 geplant. Dann würden wir hier mit Sekt anstoßen. Doch am liebsten würde ich in zwei Jahren schon über die Fertigstellung des Radschnellweges und mehr Platz für das Rad sprechen.

Vielen Dank, Astrid.




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