Dortmunds Radverkehr stärken – die Partei Bausteine

Der ADFC Fahrradklima-Test vergibt in der aktuellen, bundesweiten Befragung der Stadt Dortmund die Schulnote 4,3 – 1928 Dortmunder*innen haben an der Befragung teilgenommen und zeigen sich mit den zu schmalen Radwegen, der Führung an Baustellen und der Falschparkerkontrolle auf Radwegen unzufrieden. 85 Prozent der Dortmunder*innen fühlen sich beim Radfahren nicht sicher – eine Kritik, die die Stadtverwaltung in Zukunft angehen und verändern will. Dortmunds Ziel für die kommenden Jahre: Eine lebenswerte Stadt, in der das Fahrrad im Fokus steht. Wir sprechen mit spannenden Akteur*innen aus den Bereichen der Stadtverwaltung, Politik sowie Stadtplanung, um einen umfassenden Einblick in den Masterplan Mobilität, die zukünftige Verkehrsplanung und eine Förderung für den Radverkehr zu bekommen. Wir haben Vertreter*innen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD gefragt, was sie für die Radverkehrsstruktur in Dortmund tun wollen. Schließlich sind sie diejenigen, die die Finanzierung von vielen Projekten maßgeblich beschließen.  Spoiler: Die Ideen reichen weit auseinander. Auf unsere Anfragen haben nicht geantwortet: AFD, Die Linke und die FDP. 

CDU-Fraktion

„Für uns ist es von großer Bedeutung, dass es in Dortmund auch zukünftig ein gleichberechtigtes Miteinander und eine gegenseitige Akzeptanz der verschiedenen Verkehrsträger untereinander gibt.“ 
Für die CDU-Ratsfraktion stellt der Radverkehr eine wichtige Säule bei der zukünftigen Entwicklung der Mobilität in Dortmund dar. Von zentraler Bedeutung für die Christdemokraten ist herbei jedoch auch, dass es kein Gegeneinander der verschiedenen Verkehrsträger geben darf. Vielmehr muss der Fokus darauf liegen, sowohl Radverkehr als auch Fußverkehr, motorisiertem Individualverkehr und Personennahverkehr entsprechende Räume zu geben. Hierzu Dr. Jendrik Suck, Vorsitzender der CDU-Ratsfraktion: „In Dortmund haben wir uns bereits in den vergangenen Jahren auf den Weg gemacht, um die Radverkehrsinfrastruktur in unserer Stadt nachhaltig auszubauen und zu verbessern. Unserer Auffassung nach kann die Mobilität für die Zukunft nur gelingen, wenn es ein gleichberechtigtes Miteinander der verschiedenen Verkehrsträger gibt. Das Fahrrad darf hierbei nicht gegen das Auto ausgespielt werden. Nur so kann eine Akzeptanz für alle Beteiligten geschaffen werden. Um dieses Ziel zu erreichen, ist bei Planungen eine ganzheitliche Betrachtung des Verkehrsraums von Hauskante zu Hauskante erforderlich. So ergeben sich wie bei den bisher fertiggestellten Abschnitten des Radwalls neue Nutzungen, von denen alle Verkehrsteilnehmer profitieren. Als CDU-Fraktion haben wir verschiedene politische Beschlüsse mitinitiiert und auf den Weg gebracht. Als gutes Beispiel kann hierbei die Dortmunder Radverkehrsstrategie genannt werden, die der Rat im vergangenen Jahr beschlossen hat. Ein zentraler Punkt der Strategie ist die Einrichtung von sogenannten Velorouten. Diese verbinden zukünftig die Außenstadtbezirke mit der City. Auf den Velorouten soll der Radverkehr künftig Vorrang haben. Die überwiegende Nutzung von Nebenstraßen steigert dabei sowohl die Attraktivität der Routen als auch die Sicherheit der Radfahrer. Außerdem können so etwaige Konflikte, wie sie mit anderen Nutzern auf Hauptstraßen zu erwarten sind, vermieden werden. Für uns als CDU-Fraktion ist es von großer Bedeutung, dass es in Dortmund auch zukünftig ein gleichberechtigtes Miteinander und eine gegenseitige Akzeptanz der verschiedenen Verkehrsträger untereinander gibt. 
Die Velorouten sollen in Dortmund den Netzgedanken im Bereich des Radverkehrs fördern und ausweiten. Sie stehen für die CDU-Fraktion somit in einem wichtigen Zusammenhang mit dem RS1 als zentraler Radverkehrsachse des Ruhrgebiets. „Nach Fertigstellung des RS1 haben wir in Dortmund ein im positiven Sinne komplexes Radwegenetz, das vom Radschnellweg aus über viele Verästelungen auch die Außenstadtbezirke anbindet. Damit es hier nicht bei einer fernen Zukunftsvision bleibt, setzen wir uns als CDU-Fraktion für eine priorisierte Umsetzung der diversen politischen Beschlüsse zum Radverkehr ein. In diesem Zusammenhang ist beispielweise auch die Sicherung von Kreuzungen und Kreisverkehren nach dem niederländischen Modell zu nennen. Hierbei erfolgt die Trassenführung von Straße und Radweg im Kreuzungsbereich baulich getrennt. Dies schützt die Radfahrer vor gefährlichen Situationen. Bereits im Oktober 2021 hat der Mobilitätsausschuss auf unsere Initiative hin die Planung von zwei Kreuzungen dieser Bauart als Pilotprojekt beschlossen. Bei der Umsetzung dieses Beschlusses durch die Dortmunder Stadtverwaltung hakt es leider.“, so Dr. Jendrik Suck weiter. 
Die CDU-Fraktion hat mit Blick auf den Radverkehr auch die Dortmunder City im Blick. So gibt es zwar bereits den Radwall, die City selbst ist für Radfahrer allerdings ein Hindernis. „Unser Ziel ist eine Querungsmöglichkeit der Dortmund City für Radfahrer sowohl in Nord-Süd-Richtung als auch in Ost-West-Richtung. Diese City-Querungen steigern die Attraktivität der City für Radfahrer deutlich.“, führt Dr. Jendrik Suck weiter aus und ergänzt abschließend: „Als CDU-Fraktion werden wir uns auch weiterhin für einen qualitativen Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur in Dortmund einsetzen und dazu beitragen, dass unsere Stadt fahrradfreundlicher wird.“ 

Heide Kröger-Brenner, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 

„Hier in der Stadt braucht man wirklich kein Auto. Es ist völlig überflüssig. Der Wunsch, Dortmund zum 'Kopenhagen von Westfalen' zu machen, existiert schon lange. Aber um das zu erreichen, muss der politische Wille viel stärker in der Umsetzung verankert sein, nicht nur in Worten ausgedrückt.”
Heide Kröger-Brenner ist schon seit den 80er Jahren bei den Grünen aktiv. Erst als Mitglied des Dortmunder Stadtrats, mittlerweile als eine von zwei Sprecher*innen der Bezirksvertretung in Brackel. Im Interview mit Robert spricht sie über den fehlenden politischen Willen, Stadtteile durch Radwege miteinander zu verbinden und welche Vorschläge sie für eine sichere Rad-Infrastruktur hat. 
Heide Kröger-Brenner: Ich fahre Fahrrad seitdem ich eins besitze und ehrlich gesagt auch ausschließlich. 1985 habe ich mein Auto abgeschafft, weil ich schon damals dachte, dass es so nicht weitergeht. Obwohl ich damals eine Weile in Menden im Sauerland gewohnt habe, wo es etwas schwieriger war, mit dem Fahrrad zu fahren, muss ich sagen, es geht seitdem wunderbar ohne Auto. Hier in der Stadt braucht man wirklich kein Auto. Es ist völlig überflüssig.
Robert: Ihr seid die größte Stadt im Ruhrgebiet. Es ist offensichtlich, dass die gesamte Infrastruktur auf Autos ausgerichtet ist. Könntest du uns einen Einblick geben, wie es tatsächlich um die Situation für Fahrräder steht?
Heide: Natürlich, der Wunsch, Dortmund zum 'Kopenhagen von Westfalen' zu machen, existiert schon lange. Das hat auch der frühere Oberbürgermeister immer wieder betont. Doch bisher war das eher ein Scherz, denn wir sind weit davon entfernt. Seit der Kommunalwahl gibt es etwas mehr Druck, da es eine Projektpartnerschaft zwischen den Grünen und der CDU gibt. Es ist zwar keine Koalition auf kommunaler Ebene, aber es werden gemeinsam verschiedene Projekte angestoßen, auch im Bereich des Radverkehrs. Die Verwaltung ist auf dem richtigen Weg, jedoch geht alles sehr langsam voran. Ein konkretes Projekt ist der RS1, der hier gebaut werden soll. Bisher gibt es nur wenige Meter davon an der Möllerbrücke, und noch ein Stück weiter, vielleicht 300 bis 400 Meter, ich bin mir nicht sicher über die genaue Länge. Es wurde noch nicht viel umgesetzt. Es gibt auch einige Schwierigkeiten. Zum Beispiel, wenn man Richtung Osten fährt, müssten eigentlich mehrere Brückenbauwerke geschaffen werden, um das ständige Auf und Ab zu vermeiden. Es ist klar, dass das alles Zeit braucht. Wir fordern seit Langem, dass zumindest einige Verbesserungen zeitnah umgesetzt werden. Während der Corona-Pandemie haben wir vorgeschlagen, temporäre Pop-up-Fahrradwege zu schaffen, wie es in anderen Städten gemacht wurde. Aber hier in Dortmund wurde das nicht umgesetzt. Die Stadt bevorzugt anscheinend eine gründliche Planung und umfassende Lösungen. Eine Idee ist, einen Radweg um den Wall der Stadt zu bauen, möglicherweise sogar eine Autospur dafür zu opfern. Wir setzen uns dafür ein, dass auch der Verkehrsfluss im Innenstadtbereich besser über die Straßen verläuft. Das ist eine unserer Forderungen. Und natürlich gibt es auch viele andere Radwege oder eben nicht vorhandene Radwege. Die Stadt hatte ursprünglich die Idee, neun Velo-Routen einzurichten, vielleicht habt ihr davon bereits gehört. Diese Routen sollten von den Stadtbezirken in die Innenstadt führen und vermutlich am Wall enden, zumindest denke ich das. Eine dieser Routen wurde jedoch gestrichen, da sie vollkommen unsinnig war. Anscheinend war jemand übermäßig begeistert von der Idee und hat sich von Eifer mitreißen lassen. Wir haben bereits gesagt, dass dies etwas idiotisch war. Wahrscheinlich wird diese Idee sowieso nie umgesetzt. Außerdem ist die Frage, ob das überhaupt sinnvoll wäre.
Robert: Jetzt sind also noch acht Routen übrig. Zusätzlich gibt es auch Haupt- und Nebenrouten, die geplant wurden, aber bisher steht auf dem Papier mehr als in der Realität. Die Stadtverwaltung hat begonnen, diese Velorouten zu überarbeiten. Dabei werden Vorschläge aus den Bezirksvertretungen oder vom ADFC berücksichtigt. 

Heide: Die Idee der Stadtverwaltung ist, die Radfahrer dort hinzuleiten, wo sie niemanden behindern, sprich, wo wenig Autoverkehr herrscht. Das liegt wohl daran, dass sie zögern, dem Auto etwas wegzunehmen. Meiner Meinung nach gibt es jedoch keine andere Möglichkeit. Um die Menschen dazu zu bewegen, alternative Verkehrsmittel zur Fahrt in die Stadt zu nutzen, muss man dem Auto etwas entgegensetzen. Hier liegt der Knackpunkt. Im Stadtrat wird man dafür wohl keine Mehrheit bekommen. Das bedeutet, wir haben ein deutlich erkennbares System, das den Wall umrundet. Hierbei sind auch bereits erste Ideen für Kreuzungen vorhanden, um zu gewährleisten, wie man auf die andere Seite gelangt. 
Robert: Welche Rolle spielt die Größe der Stadt bei der Umsetzung? 

Heide: Wir sind uns bewusst, dass Dortmund eine große Fläche einnimmt. Es gibt über 60 Stadtbezirke, die teilweise entweder gar nicht miteinander verbunden sind oder nicht an das Netz angeschlossen sind. Diese Zerstückelung ist wirklich problematisch. An vielen Stellen gibt es Radwege, ab und zu sogar etwas breitere, aber die meisten sind zu schmal, so auch hier an der Hamburger Straße. Das ist wirklich sportlich. Das Thema Sicherheit ist wirklich sehr wichtig. Es müssen wirklich deutlich mehr und auch breitere Radwege geschaffen werden. An den meisten Stellen sind sie viel zu schmal. Wenn wir den städtischen Raum neu aufteilen möchten, den Platz auf den Straßen, dann müssen wir an einigen Stellen etwas wegnehmen und anderswo etwas hinzufügen. Über Kopenhagen zu sprechen, ist einfach, aber es gehört noch viel mehr dazu. Alle wollen den Radverkehr fördern, aber das Auto soll davon unberührt bleiben. Das ist das grundlegende Problem. Es wurden vor Kurzem die Parkgebühren deutlich erhöht, aber sie sind immer noch viel zu niedrig. Das bedeutet, dass diese Privilegien, die das Auto genießt, angegangen werden müssen. Man muss sich dem stellen. 

Robert: Würde dies auf Verständnis in der Bevölkerung stoßen? 
Heide: Teilweise, denke ich. Die Leute sagen vielleicht, okay, wenn der öffentliche Nahverkehr noch etwas besser und zuverlässiger wäre, würde ich nicht mit dem Auto in die Stadt fahren, oder ich könnte sicherer mit dem Fahrrad in die Stadt fahren. Man hat das Gefühl von riesigen Entfernungen. Wenn man aus der entferntesten Ecke von Dortmund kommt, wie Hickede oder so, sind es sicherlich schon zwölf Kilometer bis in die Innenstadt, vielleicht sogar etwas mehr. Man schlängelt sich da aber politisch irgendwie herum. 

Robert: Glaubst du, dass es einen Effekt haben würde, wenn man, sagen wir mal, 60 Prozent von dem umsetzt, worüber wir gesprochen haben? Wenn der RS1 noch etwas weiter ausgebaut wird, der Hellweg, also größere Projekte, die Velorouten, und der Wall geschlossen wird, glaubst du, dass die Leute umsteigen würden, wenn sie das alles sehen? 
Heide: Ich denke, einige würden es tun, wenn sie wirklich durchgängig fahren könnten, wie hier in der Arndstraße. Das ist wirklich ärgerlich, da dies eigentlich mein Weg in die Stadt ist. Und wenn man von hier aus wieder nach Brackel möchte, dann fährst du hier vorbei, dann gelangst du auf die Kaiserstraße, musst dann rechts abbiegen und dich durchschlängeln, dann fahren viele über den Gehweg und so weiter... Du kommst nicht wirklich vernünftig weiter. Es ist keine große Strecke, aber es sind viele kleine Dinge, die nicht stimmen. Diese kleinen Dinge summieren sich. Selbst wenn es auf einem Weg ein gutes Stück gibt, wo man gut fahren kann, wenn es mehrere Engstellen dazwischen gibt, glaube ich, dass es die Leute abschreckt. Denn man überlegt dann auch, wie umfährt man diese Stelle. Es gibt auch im Norden einen Körneradweg, der schön ist, aber dann kommt man am Großmarkt heraus und steht dann da. Dann geht es nicht weiter. Man ist zwar schon nah an der Innenstadt, aber von dort aus muss man sich durchwursteln. Hier ein Stück Gehweg, dann fährt man wieder ein Stück auf der Straße und so weiter. Das ist alles nicht attraktiv. Und natürlich auch nicht ganz ungefährlich, muss man sagen, denn da sind auch Straßen dazwischen, die stark befahren sind. Da müsste man schauen, ob man dort Ampelschaltungen einführt oder ähnliches, um den Verkehr etwas zu beruhigen. Zusammenfassend gesagt, der politische Wille muss viel stärker in der Umsetzung verankert sein, nicht nur in Worten ausgedrückt."

SPD-Fraktion

„Tatsächlich hat die Stadt sehr hohen Aufholbedarf, was Fahrrad-Attraktivität anbelangt. Da sind andere Städte schon deutlich weiter. Man merkt aber einen Mentalitätswandel in den letzten Jahren – vor allem auch in der Stadtverwaltung und in der Planungsverwaltung will man mehr machen. Wir müssen mutig sein!” 
Fabian Erstfeld ist stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender im Dortmunder Stadtrat. Dort kümmert er sich vor allem um Finanz- und Bildungspolitik. Im Interview mit Zoe spricht er über 
Fabian: Ich wohne im Osten der Stadt. Das ist ein bisschen ein dörflicher und eher ein klassischer Vorort. Mit richtigen Feldern dazwischen, die die einzelnen Vororte erkennbar machen. Hier in der Stadt ist es dann doch ein bisschen anders als in den Randbezirken. Vor allem was das Radfahren betrifft. In der bundesweiten Befragung (Fahrradklima-Test des ADFC - Anm. der Red.) in welcher Dortmund relativ weit hinten liegt, zum Beispiel bei den Fragen, wie attraktiv es ist, hier Fahrrad zu fahren und was für Probleme es dabei gibt. Das merkt man auch, wenn man seine Augen ganz bewusst auf die Bedingungen schaut - es ist nicht immer einfach. So wie hier am Beispiel Ostwall, wo es jetzt eine eigene große Fahrradspur getrennt von der Fahrbahn gibt. Dass würde man sich an vielen anderen Stellen auch wünschen, aber das ist leider noch eine Seltenheit. Tatsächlich hat die Stadt sehr hohen Aufholbedarf, was Fahrradattraktivität anbelangt. Da sind andere Städte schon deutlich weiter. Man merkt aber einen Mentalitätswandel in den letzten Jahren - vor allem auch in der Stadtverwaltungund in der Planungsverwaltung will man mehr machen. Das ist ein deutlicher Unterschied spürbar, als noch vor einem halben Jahrzehnt. 

Robert: Im "Masterplan Mobilität" steht, dass sich der Radverkehrsanteil bis 2030 verdoppeln wird. Wie ist deine Einschätzung dazu? 
Fabian: Aber das wird jetzt in absehbarer Zeit nicht funktionieren, wenn es weiterhin so schleppend mit dem Ausbau von Radwegen vorangeht. Das betrifft nicht nur den Ausbau, sondern auch anstehende Straßensanierungen. Das ist eigentlich auch der Wunsch, nicht nur meiner Partei, sondern auch großer Teile der Politik, zu sagen, ja wenn man eine Straße sowieso saniert werden soll, sollte man eigentlich auch immer das, was fehlt, mitdenken oder das, was aktuell Schwierigkeiten bereitet, vor allem fehlende Radwege berücksichtigen. Der Straßenquerschnitt muss überdacht werden und dass man nicht nur hier irgendwo einen Radweg drauf pinselt, sondern auch versuchen muss, einen möglichst attraktiven, breiten Radweg zu bekommen. Im Ideafall, sofern möglich, baulich getrennt, entweder durch eine gewisse Schwelle oder gar durch eine eigene Spur. Bei den geplanten Velorouten, die sternförmig auf den Innenstadtring zulaufen, muss in der Planung bedacht werden, dass Umwege und Nebenrouten eventuell nicht zwingend attraktiv genug sind.
Robert: Kommen wir nochmal auf die Umwidmung von Spuren am Wall zurück! Gab es dafür politische Mehrheiten? 

Fabian: Dass man Spuren wegnehmen möchte an Stellen, wo sehr viele sind, wie hier auf dem Wall, haben wir jetzt schon beschlossen mit einer großen Mehrheit aus SPD, Linken und Grünen gegen die Stimmen der anderen. Wir müssen natürlich auch mutig sein, an anderen Stellen der Stadt zu sagen, dass man eine Spur wegnimmt und  eine attraktive breite Fahrspur für Fahrradfahrende erschafft. 

Robert: Denkst du, dass sich das dann auch wandeln wird, wenn es die Möglichkeit gibt, entspannt und sicher mit dem Fahrrad zu fahren, dass man dann vielleicht überlegt: "Okay, ich kaufe mir ein E-Bike statt eines Autos?"

Fabian: Also es ist schon schwierig, in so einer Metropolregion wie dem Ruhrgebiet gänzlich darauf zu verzichten. Es gibt ja immer Leute, die sagen, es reicht ja, wenn man alle Autos elektrifiziert, dann können wir mit der gleichen Zahl Autos weiter machen. Also, ich und auch Teile meiner Fraktion sind auch nicht davon überzeugt, dass man ohne Reduktion an Fahrzeugen auskommt. Es muss ein Umdenken geben, vor allem bei Menschen, die in der Innenstadt leben. Da muss man sich manchmal die Frage stellen, braucht man wirklich ein Auto? Wenn man auf ein Auto angewiesen ist, sollte man sich dennoch die Frage stellen:  Autos brauche ich? Manche Menschen haben ja, obwohl sie nicht außerhalb, sondern mitten in der Stadt wohnen, ein Auto pro Person. Dann sollte man seine Mobilität anpassen, vor allem, wenn man in der Innenstadt wohnt.  Ohne Frage, es reicht nicht, alle Autos umweltfreundlich zu machen, sondern man muss auch die Zahl reduzieren. Ob man es jetzt signifikant schafft, ist eine andere Sache, aber wenn man allein schon die Zahl der Fahrzeuge deutschlandweit um 10 Prozent oder bis zu 20 Prozent reduzieren würde und das, was verbleibt, dann noch elektrisch fährt, wäre ein großer Schritt getan. Denn der öffentliche Raum ist größtenteils zugestellt mit Fahrzeugen und die Fahrzeuge nehmen größtenteils des Tages den Platz weg. Ein Auto wird im Schnitt ja eine Stunde am Tag bewegt und muss ansonsten immer irgendwo stehen. 

Robert: Wie geht man mit Parkraum in der Innenstadt um? Darüber wird ja auch aktuell diskutiert und Konzepte wird die Stadtverwaltung Dortmund wohl auch in den nächsten Monaten erarbeiten, das hat die Politik so beschlossen, dass man sich überlegt, wie man mit den Bewohnerparkzonen in den Innenstadtbereichen vorankommt.
Fabian: Es gibt ja sehr viele Initiativen in Dortmund, auch regelmäßig Demonstrationen und auch Fahrraddemonstrationen. Der Druck ist schon da. Man hat beim letzten Kommunalwahlkampf gemerkt, dass das ein wichtiges Thema geworden ist. Es fahren mehr Menschen Fahrrad, das hat sich in den letzten Jahren gezeigt und Corona hat zusätzlich für einen Schub gesorgt. Es war deutlich ruhiger auf den Straßen und immer mehr Menschen haben sich ein Fahrrad angeschafft! Spätestens da war klar, dass wir nicht drumherum kommen uns damit auseinanderzusetzen! Mobilität ist mehr als nur Autofahren und vielleicht ein bisschen ÖPNV. Man muss es ganzheitlich und gleichwertig betrachten! Deswegen haben wir als SPD in Dortmund gesagt, wir wollen, dass alle Verkehrsmittel gleichrangig behandelt werden. Und damit alle gleichrangig behandelt werden können, müssen sie, die aktuell einen großen Vorteil haben, natürlich zurückstecken. In dem Falle: das Auto. Ziel muss es sein, dass sich alle auf Augenhöhe begegnen! 
Robert: Wie stellt ihr euch das konkret vor? 

Fabian: Wir brauchen kein Radwegenetz für Profi-Radfahrer, wir brauchen ein Radwegenetz vor allem für die unsicheren Fahrer, für Familien mit Kindern. Erst wenn wir sagen, wenn das Radwegenetz so sicher ist, dass wir auch unsere Kinder bedenkenlos darauf fahren lassen können, ist es ein gutes Radwegenetz. Das ist die Maxime, die wir als SPD für uns gesetzt und im entsprechenden Wahlkampf deutlich gemacht haben. Unser Oberbürgermeister hat sich auch direkt nach der Wahl auf den Weg gemacht, erste Schritte zu fordern. Zum Beispiel die jetzt beschlossenen Velorouten, erste Fahrradstraßen und auch die Überlegung eines Grundsatzbeschlusses, hier auf dem Wall eine Spur wegzunehmen, was allerdings noch ein bisschen dauern wird. Allein durch den Druck aus der Gesellschaft hat sich das Bewusstsein der Politik und bei eigentlich allen Parteien verändert. Vor ein paar Jahren oder Jahrzehnten wäre solch ein Grundsatzbeschluss völlig undenkbar gewesen.
Robert: Entfernen wir uns doch mal etwas von der Innenstadt! Wie sieht es dann im Stadtrandgebiet aus? 

Fabian: Gestern waren wir in Hombruch unterwegs und da gefällt mir aus Radverkehrssicht gar nichts. Es ist teilweise sehr gefährlich und die Autofahrenden haben überhaupt kein Bewusstsein dafür, dass hier Radfahrende unterwegs sein könnten! Die Überlegung ist daher, mit den Velorouten anzusetzen! Sie sind als Nebenstrecken zu den Hauptstraßen geplant. Aber wir machen uns an dieser Stelle nichts vor: Auch die Hauptstraßen und größeren Wege müssen umgebaut und wo Sanierungen anstehen entsprechend verändert werden. Oft existiert ja das Problem, dass irgendwo ein guter Radweg bzw. Infrastruktur entstanden ist und es dann einfach im Nichts endet. Irgendwann endet einfach die Spur. Gott sei Dank gehen die Markierungsarbeiten voran. Leider gibt es noch zu viele Alibiradwege in den äußeren Stadtbezirken. Ganz zu schweigen von Umleitungen an Baustellen. Hier darf nicht nur aus Autosicht gedacht werden! Zu Fuß gehende Menschen und Radfahrende gehören genauso dazu! Es ist natürlich verständlich, weil der MIV immer noch den größten Teil des Verkehrs ausmacht. Nur macht es das Radfahren nicht sonderlich attraktiver, wenn es an Baustellen vergessen wird. Das war in der Vergangenheit leider häufiger der Fall. Die Hoffnung ist daher sehr groß, dass jetzt durch den angesprochenen Mentalitätswandel bei der Verwaltung und den personellen Generationswechsel bei den Beschäftigten der Stadt eine Sensibiltät dafür entsteht! Ich möchte jetzt nicht zu pessimistisch sein. Meine Hoffnung ist, dass wir in einem Jahr sagen können, an einigen Stellen ist schon mit der Planung der Velorouten begonnen worden. Vielleicht sind schon die ersten Schilder aufgestellt und die ersten Markierungen gesetzt! Und in fünf Jahren haben wir hoffentlich den Grundsatzbeschluss gefasst! Daneben soll es natürlich mehr Radwege und Fahrradstraßen geben. Das haben wir auch im Wahlkampf zum Thema gehabt und mittlerweile sind die gesetzlichen Regeln einfacher geworden. In Dortmund gibt es noch relativ wenige Fahrradstraßena aber immerhin haben wir jetzt welche. Und ich kann mir gut vorstellen, dass wir in fünf Jahren durchaus an dem einen oder anderen neuralgischen Punkt ein paar mehr Fahrradstraßen haben. Also es wäre schön, wenn wir in einem Jahr zumindest angefangen haben, die Stadt ein bisschen umzukrempeln! Aber um ehrlich zu sein, wird es sicherlich noch 10, 15 Jahre dauern, bis wir die Stadt komplett umgekrempelt haben. Spätestens 2035 muss das Netz dann aber stehen, damit wir die festgesetzten Ziele erreichen. 
Robert: Würdest du dann selber auch mehr Fahrrad fahren, wenn das Netz besser ist? 

Fabian: Definitiv! Wenn das Netz besser ist, dann würde ich wesentlich häufiger aufs Fahrrad steigen. Ich bin eigentlich ÖPNV-Liebhaber, aber die ein oder andere sanierte Fahrradstrecke springt schon ins Auge und ich kann mir durchaus vorstellen, wenn das Netz wirklich sehr gut ausgebaut ist, mit dem Fahrrad zu fahren. Wenn die Menschen sagen können: Ich komme zügig und sicher mit dem Fahrrad in die Stadt, dann wird das Radfahren nicht nur ein Freizeitvertreib sein, sondern die Menschen auch zur Arbeit bringen. Und wir haben auch gesagt in unserem Programm, dass es wichtig ist, dass wir sichere, überdachte und abschließbare Möglichkeiten haben für Fahrräder. Also so Fahrradhäuschen, größere, wo man, was weiß ich, 40, 50, 60 Räder abstellen kann, sicher, dass man das kombinieren kann, dass man diesen Parkausweis hat, den man dann vielleicht mit dem ÖPNV nutzen kann oder so, und dass man diese Häuser an den Knotenpunkten aufstellt. Da wo man umsteigt, zur U-Bahn oder am Hauptbahnhof oder irgendwo zur S-Bahn oder zentrale Bushaltestellen, dass man dann da auch umsteigen kann. So eine Art Park & Ride, nicht nur für Autos, sondern auch für Fahrräder, aber so attraktiv, dass man auch die teils hochwertigen Fahrzeuge, hochwertigen Fahrräder, man muss ja nicht immer das günstigste Modell haben, wenn man dann professionell Fahrrad fahren möchte, dann leistet man sich schon was, aber dann kann ich die Leute auch verstehen, die möchten es sicher irgendwo abstellen. Da machen wir einiges, da ist schon Geld beschlossen worden vom Rat der Stadt und wir haben auch zig Fördergelder, die wir in Aussicht haben dafür. Jetzt muss man endlich die Stellen finden und planen. Ich glaube, es dauert nicht lange, passende Stellen zu finden. Man muss halt nur in die Umsetzung kommen. Es gibt ganz wenige Standorte in Dortmund, wo man so etwas aktuell schon hat. Vor allem im Hauptbahnhof und an einigen wenigen Stellen. Aber eigentlich sollte man in jedem größeren Vorort mindestens so einen Umsteigepunkt haben, wo man das sicher abschließt. 

Mehr zu den politischen sowie stadtplanerischen Stimmen lest ihr in der WE RIDE DORTMUND-Ausgabe #1.

Zurück
Zurück

WE RIDE LEIPZIG Ausgabe 21

Weiter
Weiter

Bikewelt Schöneck